MTF-Charts und Objektiv-Qualität
Erfolgt
die Messung bei einem (3:2)-KB-Bildformat über
die "kurze" Distanz (kleinst möglicher
Bildkreis über die Bildhöhe) oder
über die Bildbreite, statt über die Halbdiagonale,
dann reicht die Abtastung nicht in den kritischen
Randbereich der Bildebene. Ein verkleinerter Bildkreis
reduziert den Informationsgehalt ebenfalls erheblich
und die optische Leistung erscheint dann zuweilen besser
als sie tatsächlich ist.
Meßgrößen wie relative Bildhöhe, Prozent
oder Schuhgröße sind "kreativ", aber nicht sonderlich
hilfreich und ein Indiz für vernebelte Verifizierbarkeit.
Bei
Objektivpreisen ab 1000 Euro und mehr, sind zu kleine
Radien oder zu niedrige Auflösungsgrenzen nicht
gerade überzeugend mit dem Argumnet der "kostenrelevanten
Aufwandminimierung" zu erklären. Unabhängige
Testberichte sind deshalb unverzichtbar und eine selbst
erstellte Serie von Testbelichtungen schafft im Zweifelsfall
klare Ergebnisse.
Farbseparierte
MTF-Profile sind eher eine Ausnahme. Sie zeigen bei verschiedenen
Wellenlängen des Lichtes den gemessenen Übertragungsverlust
in Abhängigkeit von Farbdrift bzw. Aberrationseffekten. Realistische
Vermessungen für die "Maximalauflösung" enthalten bei
entsprechenden Ortsfrequenzen auch die Überlagerungseffekte hinter
der Grenzfrequenz. Liegen die Minima der Intensitätskurven deutlich
hinter der Nyquist-Linie des Sensors, dann ist die optische Auflösung
höher als die der Sensorsmatrix, dh. die Sensorauflösung würde
nicht durch eine minderwertige Optik begrenz.
Da die Auflösung
von den Wellenlängen (siehe auch: Dispersionsverhalten) abhängt
und damit für monochromatische Lichtquellen unterschiedlich ist, verraten
im Vergleich farbsepariert gemesse MTF-Charts etwas über die Qualität
der Farbneutralität und die Aberrationskorrektur. Blaues Licht erzeugt
naturgemäß eine geringere Intensität, eine höhere Ortsauflösung
und eine stärkere Ablenkung. Geringe Fokus- und Intensitäts-Differenzen
zwischen R, G und B verweisen auf hochwertige Vergütung und eine qualitative
Abstimmung der verschiedenen Festkörperkombinationen. Die Farbneutralität
und die chromatische oder sphärische Aberration sind meistens kein Bestandteil
der veröffentlichenten Analyse, obwohl sie ein gewichtiges Kriterium für
optische Systeme sind.
Bei einigen Objektivserien
verzichten Hersteller gänzlich auf MTF-Charts, sicher nicht ohne Grund.
Andere, meist preiswerte Zweitausrüster informieren nicht über
methodische Bedingungen oder die Grundlagen für ihre veröffentlichten
Ergebnisse. Virtuose Eloquenz, statt schlüssige Auskunft ist auch
eine Methode.
Wie
sehen MTF-Chart aus und welche praktische
Bedeutung haben sie ?
Abgesehen
von individuellen Meßparametern und den resultierenden
Ergebnissen, entspricht die graphische Darstellung
einem etablierten Standard. Abgebildet ist der Kontrastverlust
auf einer Skala von 0 bis 1.0 oder auch von 0 bis
100%, ausgehend vom Bild-Zentrum und gemessen über
den Bildradius (Skala: mm) bis nach außen an
den Rand der Bildebene.
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Starke
Linie |
Messung
bei 10 Lp/mm --> Kontrast |
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Dünne
Linie |
Messung
bei 30 Lp/mm --> Abbildungsschärfe |
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Orange
Line |
Messung
bei Blende f = 8.0 |
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Weiße
Line |
Messung
bei Offenblende |
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Solid-Line
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Radial-Linienpaare
(S-Linien) |
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Punkt-Linie
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Tangential-Linienpaare
(M-Linien)
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Auf den ersten Blick erkennbar wäre
bei dieser MTF-Darstellung die Eigenschaft des Abblendens, die tendenziell zur höheren
Tiefenschärfe (scheinbare Ortsauflösung) führt und ein Verlust an Bildqualität
zum Rand hin verstärkt. Das ist nicht wirklich überraschend und verdeutlicht nicht den
praktischen Zusammenhang zwischen Abbildung und MTF-Darstellung.
Berücksichtigt man zunächst nur die Höhenposition der Kontrast-
und Schärfe-Kurven, dann lassen sich die Qualitätskriterien
sehr einfach darstellen. Die Unterscheidbarkeit von
Objekt zum Hintergrund ist als Kontrast (meistens
mit 10 Lp/mm) definiert. Die Unterscheidbarkeit der
Konturzone um das Objekt defineirt die Schärfe
mit entsprechend höherer (meistens 30 Lp/mm)
Liniendichte. Der Vergleich der schematisch abgebildeten
Signatur des Objektives mit der MTF-Bewertung läßt
sofort Prinzip und Wirkung der MTF-Darstellung erkennen,
ohne den speziellen Verlauf der MTF-Liniencharakteristik
berücksichtigen zu müssen.
Bezieht
man den Intensitätsverlauf der verschiedenen
MTF-Linien (Radial- und Tangential-Linien, Radius)
in die Bewertung mit ein, dann sagen uns die MTF-Charts
zwar nichts über die maximale Leistung, aber
etwas über Leistungskontinuität des optischen
Instrumentes. Und eine kontinuierliche Abbildungsleistung
über die gemessene Bildebene ist ein "Indiz"
für hohe Qualität. Die vier Beispiele sollen
verdeutlichen, welche Charakteristika die Bildqualität
kennzeichnend bescheiben:
Tangential-
und Radial-Kurve (punktiert und solid) beginnen erst
bei fast 85%, sodaß Kontrast und Schärfe
keine besondere Abbildungsleistung versprechen. Unstetigkeiten
und Turbulenzen beider Linien zeigen über die
Radiuslänge eine inkonsistente Qualität.
Starke Gradienten der Tangential-Linie lassen eine
sternförmig nach außen wirkende Punktverzerrung
erwarten. Der Bildpunkt zerfließt elliptisch nach
außen. Driften beide Linien stark auseinander, dann
weist dies auf unsymmetrische Verzerrung hin. Kissen- oder
tonnenförmige Verzerrungen neigen dazu chromatische
Differenzen zu verstärken. Charakteristisch für
preiswerte Zoom-Objektiven.
Der
Verlauf dieser beider Linien beginnt am Startpunkt
R=0 bei etwa 90%, was bei Kontrast und Schärfe
im Zentrum bessere Abbildungsqualität erwarten
läßt. Die Radial-Linie liegt näher
an der Tangential-Linie, also ist eine qualitative
Erhaltung der kreisrunden Fokusfläche (Bildpunkt)
zu erwarten mit weniger unsymmetriescher oder elliptischer
Verzerrung. Der nach außen fast waagerechte Verlauf
beider Lienien (T,R) bis zur Mitte der Meßstrecke
verweist auf eine konstante Abbildungsqualität im Zentrum,
sodaß ein größerer Schärfebereich
auf dieser Bildebene nutzbar ist. Erst ab der Mitte
bis zur Randzone fallen beider Lienien ab, sodaß
ab diesem Bereich die Abbildungsleistung sichtbar abnehmen
wird. Beide Linien liegen durchgehend näher aneinander,
also wird die Zunahme der Verzerrung bis zum Rand hin
weniger brutal und eher symetrisch als im vorherigen
Beispiel zunehmen. Diese Charakteristik entspricht einer
mittleren Abbildungsqualität für Zoom-Objektive.
Beide
Linien beginnen bei etwa 94% und dem entsprechend werden
im Bildzentrum Kontrast und Schärfe für gute
Abbildungsqualität sorgen. Die Tangentialkurve (punktiert)
liegt im letzten Drittel der Radiuslänge über der
Radial-Linie (solid). Ab diesem Bereich der Überschneidung
nimmt die Radial-Verzerrung zu, während ein Punkt in
tangentiale Richtung nur geringfügig zerfließt.
Etwa 2/3 der Bildfläche werden für eine relativ
gute Abbildungsqualität sorgen. Im letzten Drittel der
Radiuslänge fällt die Radial-Linie deutlich ab und
läßt zunehmender Kontrast- und Schärfeverlust
bis zum Rand hin erwarten. Diese Charakteristik ist beispielhaft
für die gehobene Mittelklasse der Zoom-Objektive oder für
Standard-Festbrennweiten.
Verlaufen
beide Linien vom Zentrum (links, R=0) nahe an der 100% Marke streckenweise
waagerecht nach außen, bei hoher Konvergenz von T und R über fast
die gesamte Radiuslänge, dann kann man von einer qualitativ hochwertigen
und konstanten Abbildungsleistung (Kontrast, Schärfe, Verzerrung) bis
hin zum Bildrand ausgehen. Wenn also beide Lienien (T,R) nahe bei einander
liegen, sich sehr weit oben in der Kontrastskala befinden und der Gradient
erst zum Rand hin zunimmt, dann entspricht dieses Verhalten nahezu dem
Ideal - typisch für ein Qualitätsprodukte, beispielsweise
hochwertige Festbrennweiten.
MTF-Charts
informieren nicht über die maximale Abbildungsleistung
der Optik. Die Bewertung der Beugungs- und Aberrationseffekte
oder der Farbneutralität bleiben unberücksichtigt.
Sie stellen nur in Aussicht in welchem Bereich auf
der Bildebene die jeweilige Maximalleistung verfügbar
wäre und welche Richtungstendenz die Defocusierung
oder die Punktverzerrung (Weichzeichnereffekte) in
Abhängigkeit von der Blendenöffnung haben
wird. Fehlen selbst diese relativ unkritischen MTF-Charts
in der offiziellen Produkt-Beschreibung des Herstellers,
dann sollte man nicht grundsätzlich vom zufälligen
"Versäumnis" seriöser Auskunftsbereitschaft
ausgehen. Und wer hier als "kleverer Sparfuchs" trotzdem
kauft, der bekommt was er verdient.
Mehr
Information zum Thema "Equipment und Test" finden
Sie in den Sirius5-Archiven,
sowie Theorie und Darstellungen der praktischen Methodik. gecco-031,
nvs-067
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